Du lebst ja immer noch…!?

Als ich 2006 an einem myelodysplastischen Syndrom erkrankte und meine ersten Berührungspunkte mit MDS-Prognosen und statistischen Verläufen dieser Erkrankung hatte, hatte ich bei jedem Besuch in der Praxis des Hämatologen Herzrasen, Fluchtgedanken und ständigen Harndrang wegen meiner Blutwerte, der überall herum liegenden Informationsbroschüren über Krebs und der Angebotsflyer für günstig zu erwerbende Perücken.

Heute bin ich hardcore, mich schockt beim Thema MDS so leicht nichts mehr, weder was mich, noch was andere betrifft.

Laut meines damaligen Hämatologen war meine Prognose von Anfang an intermediär, also zwischen einem langsamen und schnellen Verlauf anzusiedeln, behaftet mit einem mittleren Risiko für eine akute Leukämie. Nach acht Jahren bin ich nach den Faktoren, die in diese Prognose eingehen, immer noch „intermediär“. Wenn auch sicher „mehr intermediär“, obwohl dieser Begriff nicht vorgesehen ist. Bei Licht betrachtet ist mein Körper jedoch nach acht Jahren Kampf gegen diese Erkrankung ziemlich erschöpft und weitere Krankheitsaspekte sind hinzu gekommen, die mir ein normales und mobiles Leben deutlich erschweren. Dennoch ist mein Leben zur Zeit nicht unmittelbar bedroht.
2006 hatte ich meiner Familie, den Verwandten, Freunden und Bekannten bereits mitgeteilt, dass ich Blutkrebs habe und wohl nicht mehr allzu lange leben würde. Dies war mir von den Ärzten so vermittelt worden, es sei denn man würde mich transplantieren. Dann hätte ich unter Umständen noch eine relativ geringe Chance sogar wieder gesund zu werden.

Weil mein Risikoprofil sich jedoch nicht erhöht hat, es mir also „noch nicht schlecht genug geht“, ist die als gefährlich einzustufende Knochenmarktransplantation seit 8 Jahren keine Option und ich lebe so vor mich hin mit regelmäßigen Bluttransfusionen und Antibiotikatherapien in einem Zustand, den man „watch&wait“ nennt.

Wenn ich Bekannte treffe oder mich mit Bekannten maile, freuen sie sich darüber, dass ich immer noch gesund aussehe bzw., dass es mir einigermaßen „gut geht“. Natürlich nehme ich nur Kontakt auf, wenn es mir auch ganz gut geht bzw. wenn ich gut transfundiert bin. Aber es passiert mir mitunter, dass ich mich durch bestimmte Fragen oder Bemerkungen unter „Rechtfertigungsdruck“ fühle, weil ich IMMER NOCH lebe. Denn bei der dramatischen Diagnose 2006 hätte man eigentlich annehmen müssen, dass ich eher nicht so lange durchhalte. Das heißt, wenn ich abtreten muss, wird keiner besonders erstaunt sein, alle sind vorbereitet. Habe ich also 2006 in den Gesprächen über die Dramatik meiner Erkrankung übertrieben? Nein! Leider nicht. Acht Jahre mit MDS zu überleben ist schon ziemlich lang, wenige Patienten schaffen zehn, noch weniger 20 Jahre.

 

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Ich konnte nicht wissen, dass ich noch so viel Lebenszeit bekommen würde, ich nehme das als besonderes Geschenk. Und jetzt will ich noch mehr davon.